Der Regen des gestrigen Tags war eigentlich noch nicht besonders kräftig. Heute dafür gibt das Fiordland etwas mehr von seinen Qualitäten preis – auch wenn wir am Abend vom Hut Warden erfahren werden, dass das, was wir hier erlebt haben, noch bei weitem nicht in die Kategorie »heavy rain« fällt. Aber nass genug ist es auf jeden Fall, und zwar so nass, dass ich die Kamera den ganzen Tag über nicht heraus holen werde.

Die Landschaft ringsum ist dennoch großartig und der Tag trotz des schlechten Wetters ein absolutes Highlight, nur leider eben nicht fotografierbar. Der Weg führt in den Abschluss des Tals hinein. Es geht recht kräftig bergan, bis die Baumgrenze erreicht ist. Dort oben sind wir von drei Seiten von Bergwänden umgeben, von denen zahllose Rinnsale herunterstürzen. An der nördlichen Wand schlängelt sich der Weg nun weiter den Berg hinauf. Selbst bei dieser schlechten Sicht sind die Ausblicke beeindruckend. Wir können weit in das Tal hinunterschauen, das wir gestern hinauf gekommen sind.

Schließlich wird der Weg flacher, der Wind kräftiger und vor uns steht das Gedenkmonument, das den Anfang des Passes kennzeichnet. Wenige Meter weiter bietet sich ein atemberaubender Blick in die Tiefe – Hunderte Meter senkrecht fällt die Wand in das Tal ab, in das wir wenig später absteigen werden. Noch aber führt der Weg ein wenig bergan. Ein Führer der Guided Walks überholt mich hier; sie sind auch um uns besorgt und fragen jeden, wie er sich fühlt, um gegebenenfalls auch hier zu helfen. Kurz hinter dem höchsten Punkt des Passes befindet sich der Mackinnon Pass Shelter, die erste Gelegenheit eine vor dem Regen geschützte Pause einzulegen. Und nicht zuletzt »A Loo With A View« zu besuchen – die Toilette mit der wohl weltbesten Aussicht.

In einem weiten Bogen geht es nun in das Tal auf der anderen Seite des Passes hinab. Ich klaue einem Weka sein Spielzeug, von dem ich glaube, dass es nicht unbedingt artgerecht für ihn ist – einen Kaffeebecher von einem Guided Walker. Bis auf diese kleine Störung in meinem persönlichen ökologischen Gleichgewicht aber verlässt mich die Begeisterung auch hier nicht. Die Landschaft gehört wirklich zum großartigsten, das ich bis jetzt durchwandert habe. Spätestens seit heute weiß ich, dass ich hierher zurückkehren werde und dass der Milford Track seinen Ruf zu Recht besitzt.

Im Tal angekommen erreichen wir die Quintin Hut, das Tagesziel der geführten Wanderer. Wir deponieren unser Gepäck hier und machen uns – bei fast trockenem Wetter – auf den Weg zu den Sutherland Falls. Dort brauchen wir die Regenjacken wieder, denn der Wasserfall trifft hier mit enormem Getöse und einer derartigen Kraft auf den Grund des Tals, dass die Luft voll von feinsten Wassertröpfchen ist. Zwar hatten wir gehofft, dass für das verbleibende Stück zur Dumpling Hut das Wetter nun etwas besser würde, aber der Regen kehrt schon bald zurück. Er nimmt sogar noch einmal kräftig zu. Einige der Wanderer sind noch lange nicht im Tal, geschweige denn an der Hütte angekommen, als der Himmel seine Schleusen ordentlich öffnet. Das eigentliche Highlight des Tracks wird dadurch – und durch die doch von vielen unterschätzte Anstrengung (knapp 500 Höhenmeter auf- und fast 1000 abwärts) – für manchen Mitwanderer doch eher zu einer Tour des Leidens.

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