Frühmorgens bin ich einmal wach geworden, ohne zu wissen warum. Beim Frühstück erfahre ich, dass es wohl ein nicht ganz kleines Erdbeben am Milford Sound gegeben hat – der in Luftlinie gerade mal etwa 50 km entfernt liegt. Wo genau das Epizentrum lag, weiß ich allerdings nicht.

Von Kinloch aus ist es erfreulicherweise nicht sehr weit bis Glenorchy, wo meine für heute gebuchte Jetboat-Tour startet. Wie bei den meisten Touren soll man sich eine Viertelstunde, bevor es losgeht, am Startpunkt einfinden, was mir auch gelingt. Waren bisher nur wenige Leute da, ändert sich das kurz darauf, denn die Mehrzahl der Teilnehmer kommt mit dem Zubringerbus aus Queenstown. Wir werden in zwei Gruppen eingeteilt, denn einige machen eine ganztägige Kayaktour auf dem Dart River. Ich hingegen habe mich für die dreistündige Tour ohne kayaken angemeldet.

Unser Teil der Gruppe besteigt den Bus, mit dem der erste Teil des Trips zurückgelegt wird. Dave, unser Fahrer und Reiseführer, erzählt fast die ganze Fahrt über, was es mit der Gegend um uns herum auf sich hat. Wir erfahren, wie wenig fruchtbar das Land hier ist – was in Neuseeland in sheep per acre gemessen wird, der theoretischen Anzahl von Schafen, die auf einem Acre gehalten werden können, wenn man sie einfach frei grasen lässt. Da hier ein Acre nur ein viertel Schaf ernährt, sind die Farmen vergleichsweise groß und die Anzahl der Schafe niedrig. Bis auf einen Farmer, dessen Grundstück im Flachland liegen, werden hier überall Merinoschafe gehalten, die sich in höheren Lagen am wohlsten fühlen. Zur Schur, die hier manuell durchgeführt wird, da aufgrund des Wetters die Schafe nicht kahl geschoren werden, werden die Schafe mit Hunden getrieben, die statt auf der Ladefläche eines Pickups, wie sonst üblich, mit einem Hubschrauber transportiert werden.

Ein weiteres wichtiges Thema in dieser Gegend ist die Filmindustrie. Dave hat Fotos aus Filmen dabei und zeigt uns beispielsweise welcher Berg als K2 in Vertical Limit verkauft wurde. Neben einigen weiteren Filmen vor allem neuseeländischer Regisseure sind natürlich vor allem der Herr der Ringe und der Hobbit teilweise hier gedreht worden. Wir sehen den Wald von Fangorn, der auf Isengard zumarschierte, das Tal, durch das Gandalf auf Isengard zureitet und erfahren etwas über den zweiten Teil des Hobbits, nämlich wo die Hütte von Beorn vor kurzem noch stand. Und in der Ferne sehen wir noch die Misty Mountains. Auch die Werbeindustrie liebt diese Gegend: Von einer amerikanischen Brauerei über irgendein japanisches Produkt bis zu den Schweizer Alpen für die Milka-Werbung hat die Gegend hier schon so manches gedoubelt.

Jetboating up the Dart River

Jetboating up the Dart River

Nach dem Stopp, bei dem wir all dies erfahren, geht es weiter zu der Stelle am Dart River, an der uns später das Jetboat abholen wird. Aber zuvor geht es noch für eine halbe Stunde durch den Wald, wo Dave uns wieder einiges zu erzählen weiß, dieses Mal über diverse Pflanzen – von den verschiedenen (Schein-) Buchenarten über den Pepper Tree bis zum Lancewood. Und schließlich gibt es noch einen kurzen Besuch beim Hobbit, genauer gesagt bei Beorn: Als einzige Requisite ist dessen Stuhl hier geblieben – der Rest der Hütte wurde wieder entfernt.

Dann geht es zurück zum Anleger und kurz darauf braust unser Jetboat heran. Diese Boote – eine neuseeländische Erfindung aus den Fünfziger Jahren – wurden dafür gebaut, die oft schmalen, kurvenreichen und manchmal flachen Flüsse als Verkehrswege nutzen zu können, wo es keine Wege und Straßen gab. Daher sind die Boote sehr wendig und benötigen nur 10 cm Wasser unter dem Rumpf, können aber dank des Stahlbodens auch ein paar Meter einfach über trockene Stellen hinwegbrausen. Flussaufwärts erreicht das Boot gut 70 km/h, abwärts geht es etwas schneller. So brausen wir also den Dart River so weit hinauf, wie es das DOC, die Naturschutzbehörde, genehmigt hat. Zwischendurch werden ein paar kurze Stopps eingelegt, wo man etwas Ruhe hat, die Umgebung zu beschauen.

Swimming Platform in Glenorchy

Swimming Platform in Glenorchy

Zurück bringt uns das Boot nun nicht nur bis dort, wo wir an Bord gegangen sind, sondern bis zum Steg in Glenorchy. Dabei werden zur Belustigung auch einige “360s” in die Fahrt eingebaut. Wie der Name nahegelegt, dreht sich dabei das Boot einmal komplett (zum Glück nicht wie bei einer Eskimorolle), was mächtig Wasser aufwirbelt und alle lecker nass werden lässt – weshalb man uns vorher mit Regenjacken ausgestattet hat. Ursprünglich dürfte dieses Manöver einmal erdacht worden sein, um das Boot sehr schnell zum Stehen zu bringen, denn das gelingt auf diese Weise innerhalb weniger Meter. Nach über einer Stunde Fahrt mit dem Boot werden wir in Glenorchy abgesetzt und mit dem Bus zurück zum Startpunkt gebracht.

Da es noch früh am Tag ist, fahre ich noch einmal nach Queenstown und schaue mich dort noch ein wenig um, bevor ich zurück nach Kinloch fahre.

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