Auf den Tipp einer Mitbewohnerin im Hostel hin begebe ich mich, nachdem ich alles im Auto verstaut habe, zum Canterbury Museum, neben dem die provisorische Touristeninformation untergebracht ist, und besorge mir ein Ticket für die 10-Uhr-Tour mit dem Bus durch die Red Zone, also den normalerweise immer noch gesperrten Bereich der Innenstadt. Zwar sind seit meinem Besuch in Christchurch vor fünfeinhalb Wochen schon wieder einige Straßen freigegeben worden, aber ein nicht ganz kleiner Teil des Zentrums ist nach wie vor nicht öffentlich zugänglich – außer eben mit diesen Touren.

Former Chief Post Office

Former Chief Post Office

Ich war zuerst skeptisch, weil mir das ein wenig nach Katastrophentourismus aussah, habe mich dann aber doch entschlossen, die Tour mitzumachen. Nachdem man einen beidseitig voll beschriebenen Zettel mit Sicherheitsbelehrungen und Haftungsausschluss im Fall von einstürzenden Gebäuden und neuerlichen Erdbeben ausgefüllt hat, darf man den Bus besteigen. Während der gesamten Fahrt gibt es sehr gute Erläuterungen zu den verschiedenen nun frei geräumten Plätzen, den noch stehenden Ruinen und Fassaden sowie den zahlreichen Baustellen, angereichert um einfühlsame Bemerkungen und persönliche Erfahrungen aus den Tagen nach dem großen Beben.

12:51 p.m.

12:51 p.m.

Durch die Erklärungen wird dann auch verständlich, warum es einem erscheint, dass es nur sehr langsam vorwärts geht. Um überhaupt die Straßen wieder befahrbar zu machen, mussten zahlreiche Brücken wiederhergestellt werden; dann wurde begonnen, die stehen gebliebenen Gebäude und -reste daraufhin zu untersuchen, ob sie erhalten werden und dann auch erdbebenfest machen zu können. Da es im Großraum Christchurch mittlerweile etwa 11000 Nachbeben (kein Tippfehler!) gegeben hat, mussten die ursprünglichen Einschätzungen immer wieder überprüft und revidiert werden, auch wenn viele der Beben nur leicht und kaum zu spüren waren. Manchmal hat die tragende Struktur der Gebäude gelitten, manchmal auch das Fundament. Beispielsweise hat es an der Stadthalle den Gebäudeteil, der das Restaurant beherbergte, mitsamt dem Ufer des Avon ein Stück nach Süden bewegt, so dass die beiden Gebäudeteile nun von einander getrennt sind. Möglicherweise können beide Teile stehen bleiben, aber vielleicht werden auch die Kosten so hoch sein, dass es sich nicht lohnt. Ein anderes Gebäude – ein hölzernes Haus – wurde durch das Beben von seinem Fundament gehoben und es landete leicht versetzt wieder, jedoch weitestgehend intakt; dieses Haus konnte wieder zurückgesetzt und restauriert werden. Ein weiteres Hochhaus gleich am Cathedral Square wird wohl abgerissen werden müssen, steht jedoch zwischen zwei Gebäuden, die erhalten bleiben sollen, was den Abriss recht kompliziert macht.

Nach der wirklich beeindruckenden Tour fragt man sich, wie lange es wohl dauern wird, bis die Innenstadt wieder lebenswert sein wird. In der lokalen Zeitung wurden vorgestern drei Entwürfe vorgestellt, wie die Kathedrale in Zukunft aussehen könnte: Eine Rekonstruktion wäre die teuerste, langwierigste und erdbebenanfälligste Variante, daneben stehen eine moderne Interpretation der alten Kirche sowie ein Neuentwurf zur Diskussion. Ich bin gespannt, wofür man sich entscheiden wird. Die Pläne für die Innenstadt insgesamt sind jedenfalls sehr interessant und könnten Christchurch in den nächsten Jahrzehnten zu einer schöneren Stadt machen als sie es war – denn es gab schon eine ganze Reihe wirklich hässlicher Häuser im Zentrum.

185 Empty Chairs

185 Empty Chairs

Zu guter Letzt besuche ich noch einmal – wie an meinem ersten Tag hier – die Re:Start-Mall. Wie überall in der Stadt sind hier Schiffscontainer zu sehen. Anderswo dienen sie übereinander gestapelt zur Stabilisierung von Fassaden, hier sind Geschäfte, Banken und Cafés in ihnen untergebracht. Am heutigen Samstag ist einiges los, unter anderem spielt eine Band auf einer improvisierten Bühne und es sind etliche Straßenmusiker hier.

Schließlich mache ich mich auf den Weg zur Autovermietung, gebe meinen Wagen ab, lasse mich zum Flughafen bringen und checke ein. Nun heißt es nur noch warten, und zwar ein wenig länger als geplant, da das Flugzeug mit Verspätung aus Sydney eintrifft.

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