Die Übernachtung in Masterton hatte im Wesentlichen den Zweck, mir einen guten Startpunkt für einen Besuch in einem weiteren Naturschutzgebiet zu verschaffen. Das Pukaha Mount Bruce National Wildlife Centre hatte ich schon länger ins Auge gefasst. Es wurde bereits in den 1950er Jahren eingerichtet im letzten bisschen Wald, den die Siedler hier haben stehen lassen. Als man um die Jahrhundertwende vom 19. zum 20. Jahrhundert vorwiegend skandinavische Siedler ins Land holen wollte, versprach man diesen ein Stück eigenes Land, auf dem sie eine Farm einrichten konnten. Innerhalb von fünfzehn Jahren wurde so aus über einer halben Million Hektar “nutzlosem” Urwald Farmland kultiviert. Das nennt man wohl Fortschritt.

Tree at Pukaha Mount Bruce

Tree at Pukaha Mount Bruce

Das Wildlife Centre ist von der Grundidee deutlich anders als Zealandia. Hier gibt es keinen (teuren) Zaun um das gesamte Gelände, sondern lediglich um das vergleichsweise kleine Takahe-Gehege, in dem man die Vögel zwar nicht so aus der Nähe beobachten kann, aber doch gut von einer Aussichtsplattform aus. Die anderen zu schützenden Vögel sind alle in voll vergitterten Fluggehegen untergebracht. So ähnelt dieser Teil von Pukaha Mount Bruce dann eher einem Zoo, was mir bei weitem nicht so gut gefällt wie Zealandia. Aber natürlich hat das auch gewisse Vorteile, denn beispielsweise gibt es ein Kiwi-Haus, in dem über künstliche Beleuchtung Tag und Nacht vertauscht werden, so dass man die nachtaktiven Vögel hier bei schummerigem Rotlicht begucken kann – mit der Besonderheit, dass es hier einen wegen einer Pigmentstörung weißen Kiwi gibt.

Antipodes Island Parakeet

Antipodes Island Parakeet

Ein solcher “Zoo” könnte irgendwo auf der Welt stehen – aber da kommt dann doch noch die Natur zum Zug. Denn in den Wäldern des insgesamt recht weitläufigen Geländes kann man einen zweistündigen Spaziergang durch den Wald über die Höhen machen. Und dabei sieht und hört man dann die üblichen Verdächtigen der lokalen Vogelwelt. Ich sehe unter anderem auch mehrere Kahu (Swamp Harrier bzw. Sumpfweihen) hoch über mir kreisen – zu hoch für ein Foto –, die ich schon öfter direkt an der Straße gesehen habe, wo sie sich über totgefahrene Possums (Fuchskusus) hermachen – einmal musste ich stark abbremsen, um nicht mit einem zu kollidieren, der sich bei seiner Mahlzeit erst sehr spät stören ließ.

Kaka

Kaka

Wieder unten im Tal schaue ich noch an einer Lichtung vorbei, wo Futterstationen für die Kakas aufgebaut sind. Diese Vögel fliegen hier frei herum und mehrere hatte ich auf meinem Spaziergang gehört, ohne aber einen gesehen zu haben. Das Futter hier scheint jedenfalls attraktiv zu sein, denn in den Bäumen rund um die kleine Lichtung herrscht reger Kaka-Flugverkehr; auch wenn sie offenbar lieber im Schatten sitzen, ist das eine oder andere brauchbare Foto entstanden.

Nach einem Kaffee und einem Stück Kuchen mache ich mich auf den Weg nach Napier an der Ostküste. Von einem Mitarbeiter des Wildlife Centre hatte ich noch den Tipp bekommen, das letzte Stück über einen kleineren, landschaftlich hübscheren Highway zu fahren, was ich denn auch tue. Bei dem kleinen Ort Fernhill habe ich das Zentrum des nächsten Weinbaugebiets, Hawke’s Bay, erreicht: soweit das Auge reicht erstrecken sich riesige Weinfelder – hier scheinen die einzelnen Weinbauern größere Betriebe zu haben als im Wairarapa.

Napier Coast

Napier Coast

Wenige Kilometer weiter erreiche ich Napier, mit an die 60.000 Einwohnern schon eine richtig große Stadt. Sie liegt direkt an der Küste – und direkt hinter dem Strand, der Promenade und der Straße mit dem passenden Namen Marine Parade liegt die Jugendherberge. Im Zimmer höre ich die Brandung. Die Herberge ist ein herrlich verwinkeltes altes Holzhaus – lauter kleine Gänge führen um zahlreiche Ecken, wo sich dann noch wieder ein weiteres Zimmer verbirgt.

Holz als Baumaterial für Häuser ist in Neuseeland ohnehin weit verbreitet – selbst das alte Parlamentsgebäude in Wellington sieht zwar aus, als wäre es aus Stein, ist jedoch hölzern. Gerade in Wellington, wo es relativ kurz vor der Errichtung dieses Gebäudes ein starkes Erdbeben gegeben hatte, war das eine ganz bewusste Entscheidung. Und auch hier in Napier hat das Haus, in dem sich nun das Hostel befindet, das große Erdbeben von 1931 überstanden. Im Gegensatz dazu wurden die meisten Steingebäude zerstört. Als man sich entschied, die Stadt wieder aufzubauen, entstand innerhalb weniger Jahre eine neue Innenstadt die fast durchgängig im Art-Deco-Stil erbaut wurde. Geht man hier nun durch die beiden zentralen Einkaufsstraßen, lohnt es sich immer, den Blick nach oben zu richten. Denn oberhalb der üblichen Geschäfte haben fast alle Gebäude eine hübsche Fassade – und das Ganze wirkt sehr homogen.

Napier Municipal Theatre

Napier Municipal Theatre

Ich habe nur eine Nacht für Napier eingeplant. Aber nach meinem ersten Eindruck ist dies durchaus ein Ort, an dem man etwas länger verweilen könnte.

1 Comment

  1. TeeGee
    March 13, 2016

    Tolles Bild, Harald. Looking forward to seeing more!

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