Um es vorwegzunehmen: Stewart Island hat die hohen Erwartungen, die ich hatte, nicht erfüllt. Ob es an mir lag, an Stewart Island, am Wetter oder an der Tatsache, dass Ostern war – ich weiß es nicht. Eine Enttäuschung war es auf keinen Fall und ich habe einige sehr schöne Momente erlebt. Erhofft hatte ich allerdings mehr – oder etwas anderes. Nun, Stewart Island wird auf jeden Fall noch eine zweite Chance bekommen. Aber der Reihe nach.

Der Trip beginnt recht interessant. Mit einem kleinen Bus mit Anhänger geht es zunächst nach Invercargill über die Southern Scenic Route, auf der ich in umgekehrter Richtung vor 12 Jahren meine ersten neuseeländischen Kilometer auf dem Fahrrad zurückgelegt hatte. Zunächst ging es nach Manapouri, wo ich mich auf meinen ersten beiden Reisen mehrere Tage aufgehalten und sehr wohlgefühlt hatte. Die weitere Strecke war mir zu wesentlichen Teilen noch sehr gut in Erinnerung – bei ordentlichem Gegenwind und gar nicht so tollem Wetter hat sie sich mir offenbar gut eingeprägt.

In Clifden, dem einzigen, was man zwischen Manapouri und Tuatapere als Ort bezeichnen kann, muss unser Busfahrer offenbar etwas abholen. Da heute sein erster Arbeitstag für dieses Unternehmen ist (er ist allerdings schon deutlich über 50, also nicht direkt ein Berufseinsteiger), weiß er leider nicht wo. Also drehen wir erstmal zwei Runden im Ort, bevor er jemanden findet, den er nach seinem Ziel fragen kann. Wenig später finden wir das dann auch und nach der Beladungsaktion geht es weiter nach Süden. Der nächste Stopp ist Tuatapere, wo wir uns auch wieder etwas länger aufhalten, als den meisten von uns sieben Fahrgästen lieb ist – denn eigentlich sollten wir in einer dreiviertel Stunde in Invercargill sein. Obwohl das offensichtlich gar nicht klappen kann, beruhigt unser Fahrer ein südeuropäisches Pärchen, das sich Sorgen um seinen Busanschluss macht, und behauptet, das würde schon klappen – she’ll be right…

Deutlich zu spät kommen wir schließlich in Invercargill an. Aber natürlich macht das wirklich nichts, denn die Anschlussbusse warten natürlich alle. So auch meiner, der mich nun nach Bluff bringt. Dort geht es auf die Fähre. Die Überfahrt ist für die Foveaux Strait wohl sehr ruhig; dennoch fühlen sich ein paar Leute nicht ganz wohl. Ich sitze neben einem etwa sechzigjährigen Maori-Paar von der Nordinsel – sie mit Moko am Kinn. Sie erzählen mir ein wenig über die Titi Islands; außerdem unterhalten wir uns über Minderheitensprachen und den Umgang in Neuseeland und Deutschland mit diesen Sprachen.

In Halfmoon Bay (Oban) angekommen, gehe ich zunächst zum DOC Office, um die Hütten für die nächsten Nächte zu buchen. Nach einer kurzen Beratung entscheide ich mich dazu, den Rakiura Track zu gehen. Eine Übernachtung am Freitag oder Samstag ist in Halfmoon Bay nicht zu bekommen; daher werde ich zwei Nächte in der Port William Hut sowie eine in der North Arm Hut verbringen, bevor ich dann am Samstag nach Invercargill übersetze.

Nachdem all dies geklärt ist, mache ich mich auf den Weg entlang der Küste in Richtung Norden. Die ersten Kilometer führen entlang der Straße bis zur Lee Bay. Dort beginnt der Rakiura National Park und damit der eigentliche Track. Eine Skulptur dort symbolisiert die Ankerkette des Kanus von Maui, dessen Südspitze in der Ferne zu erkennen ist.

Der Weg führt nun zum größten Teil durch den Wald und lässt nur selten Blicke auf die Küste und das Meer zu. Lediglich an zwei Buchten, an denen ich dank der Ebbe den Wald verlassen und über den Strand gehen kann, gibt es Ausblicke. Schließlich erreiche ich die Port William Hut. Verglichen mit den Hütten der anderen Great Walks ist diese sehr einfach gehalten. Aber immerhin liegt sie sehr schön; den Sandflies kann man halbwegs aus dem Weg gehen, wenn man direkt an den Strand geht, wo der Wind leicht weht.

Es ist nicht viel los in der Hütte. Ein nettes älteres Paar von der Nordinsel, das für mehrere Jahre ausgestiegen ist und über die Südinsel reist – Work and Travel im eigenen Land –, versorgt uns mit frisch gefangenem Blue Cod, so dass wir zumindest schon einmal ein kulinarisches Highlight haben. Ebenfalls sehr nett ist der Hut Warden. Nach Einbruch der Dunkelheit holt er uns einmal kurz auf die Terrasse; unmittelbar neben der Hütte grast ein Weißwedelhirschweibchen (ein tolles Wort), auf englisch white-tailed deer genannt. Auch Possums gibt es hier: Am nächsten Morgen sitzt eines in einer der Fallen, die der Warden im Wald aufgestellt hat. So komme ich zum ersten Mal in den Genuss, ein Exemplar dieser durchaus nett anzuschauenden »Pest« in nicht plattgefahrener Form zu sehen.

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